Staging
In diesem Kapitel wird der Untersuchungsschwerpunkt auf die technischen und künstlerischen Mittel durch die Kamera gesetzt. Mit Hilfe dieser kann die Handlung und bestimmte Elemente in Szene gesetzt werden und spezielle Wirkungen erhalten. Nachfolgend werden deshalb die verwendeten Einstellungsgrößen, das Movement, die Perspektiven und die Bildkomposition untersucht um anschließend einen Bezug zur Interpretationshypothese herzustellen.
Einstellungsgrößen
In dem hier vorliegenden Film werden Einstellungsgrößen sehr charakteristisch und intuitiv eingesetzt. Zu Beginn einer Szene wird meist eine Totale verwendet. Dies ermöglicht dem Zuschauer, sich in dem Umfeld zu orientieren und zu verorten. Er kann die Positionen der einzelnen Akteure und die räumlichen Beziehungen zueinander aufnehmen. An diese einleitende Totale knüpft meist eine Nahaufnahme an. Dies verdeutlicht folgende Beispielsequenz (siehe Video 1).
[Video 1: Typische Einstellungsfolge]
Die Nahaufnahme (siehe Video 1) wird während des gesamten Films häufig eingesetzt. Hierbei wird der Fokus auf eine bestimmte Person oder Personengruppe gelenkt, ohne jedoch den Hintergrund komplett auszublenden, wie es bei einer Großaufnahme der Fall wäre. Dem Zuschauer wird dadurch eine Nähe zum Akteur ermöglicht, wodurch Emotionen und Absichten erkennbar werden. Gleichzeitig kann der Kontext, also die umgebende Situation oder auch die Räumlichkeit, einbezogen werden.
Darüber hinaus sind einige amerikanische Einstellungsgrößen zu finden, welche einen Kompromiss zwischen dem Darstellen mehrerer Personen und einer größtmöglichen Nähe zu eben diesen bildet (siehe Abb.1). Dadurch wird dem Zuschauer eine optimale Möglichkeit geboten, der Handlung zu folgen.
Darüber hinaus sind einige amerikanische Einstellungsgrößen zu finden, welche einen Kompromiss zwischen dem Darstellen mehrerer Personen und einer größtmöglichen Nähe zu eben diesen bildet (siehe Abb.1). Dadurch wird dem Zuschauer eine optimale Möglichkeit geboten, der Handlung zu folgen.
In Szenen, bei denen kleine Gegenstände von großer Bedeutung sind, wird die Detailaufnahme eingesetzt. Als Claire das Erinnerungsstück von Alfred aus ihrer Tasche hervorholt - eine Muschel - wird diese über eine Detailaufnahme gezeigt (siehe Abb.2). Der Betrachter erkennt durch die vergrößerte Darstellung eines kleinen Bildausschnittes viele Details und kann selbst diese kleine Muschel als solche identifizieren. Durch diese Einstellung wird klar, dass dieser Gegenstand von besonderer Bedeutung ist, da er den gesamten Bildraum ausnutzt und keine weiteren ablenkenden Elemente vorhanden sind.
Auf ähnliche Weise werden wichtigte Personen durch eine Großaufnahme abgefilmt. Das Gesicht des Akteurs wird hierbei sehr nah gezeigt, sodass Mimiken sichtbar werden und Emotionen nachvollzogen werden können. Dies findet vor allem dann gehäuften Einsatz, wenn eine Person eine Entscheidung treffen muss, eine Erkenntnis einsetzt oder wenn tiefgründige Ansichten und Erlebnisse erzählt werden. Als Ill erkennt, dass Claire Zachanassian gekommen ist, um sich an ihm zu rächen, wird er in einer Großaufnahme gezeigt (Abb.3). Anhand der nun sichtbaren Gesichtszüge kann der Zuschauer seine Entrüstung und Überraschung über diesen Umstand erahnen. Ein weiteres Beispiel ist die Szene, in welcher Mia und Claire sich zu einem Essen treffen, bei welchem sie ihre vergangenen Erlebnisse mit Alfred tiefgründig austauschen und über Rache sprechen. Auch hier wird auf die beiden Gesprächspartner abwechselnd durch eine Großaufnahme verwiesen. Das Gesicht wird deutlicher zu erkennen und, damit verbunden, die wahren Absichten der jeweiligen Person, welche sie innerhalb des Gesprächs auch verbal offenbarten.
Auf ähnliche Weise werden wichtigte Personen durch eine Großaufnahme abgefilmt. Das Gesicht des Akteurs wird hierbei sehr nah gezeigt, sodass Mimiken sichtbar werden und Emotionen nachvollzogen werden können. Dies findet vor allem dann gehäuften Einsatz, wenn eine Person eine Entscheidung treffen muss, eine Erkenntnis einsetzt oder wenn tiefgründige Ansichten und Erlebnisse erzählt werden. Als Ill erkennt, dass Claire Zachanassian gekommen ist, um sich an ihm zu rächen, wird er in einer Großaufnahme gezeigt (Abb.3). Anhand der nun sichtbaren Gesichtszüge kann der Zuschauer seine Entrüstung und Überraschung über diesen Umstand erahnen. Ein weiteres Beispiel ist die Szene, in welcher Mia und Claire sich zu einem Essen treffen, bei welchem sie ihre vergangenen Erlebnisse mit Alfred tiefgründig austauschen und über Rache sprechen. Auch hier wird auf die beiden Gesprächspartner abwechselnd durch eine Großaufnahme verwiesen. Das Gesicht wird deutlicher zu erkennen und, damit verbunden, die wahren Absichten der jeweiligen Person, welche sie innerhalb des Gesprächs auch verbal offenbarten.
Die oben beschriebenen Einstellungsgrößen finden in vielen filmischen Werken Verwendung. Das lässt darauf schließen, dass sie auf den Zuschauer eine besondere Wirkung ausüben, nämlich das erleichterte Nachempfinden einer Situation durch eine natürliche Gestaltung der Bildgrößen. Die Einstellungen dienen daher der völligen Einfühlung in das Geschehen und bieten keine Anhaltspuntke für Bruchstellen.
Movement
Die Intention, dem Zuschauer durch kameratechnische Mittel so wenig Irritation wie möglich zu verschaffen, wird auch im Bereich des Movement verfolgt. Es werden Kameraschwenks ausgeführt, die dem Zuschauer zu Beginn einer Szene einen Überblick über die räumliche und, sofern beobachtbar, soziale Gegebenheit gibt. Die Ausgangssituation wird gezeigt, sodass in die anschließende Handlungssequenz leichter eingestiegen werden kann. Der Schwenk durch die wichtigen Bereiche des Raums kommt etwa einem Umschauen gleich, also einer sehr natürlichen Bewegung eines Menschen nach Betreten einer neuen Örtlichkeit. Exemplarisch ist die Szene im Gemeindesaal, in welcher der ofizielle feierliche Empfang Claire Zachanassians stattfindet. Zu Beginn dieser Sequenz wird dem Zuschauer der wichtige Abschnitte des Raums, der Teil der Festtafel, an welcher Claire und die bisher bekannten Einwohner Güllens sitzen, durch einen Schwenk präsentiert (siehe Video 2).
[Video 2: Einleitender Schwenk]
Zoombewegungen finden hingegen nur selten statt, was wiederum im Sinne des Zuschauers ist. Menschen können die Bilder der ihnen umgebenen Natur nur durch Herangehen zoomen, nicht aber durch das Heranziehen des Bildes. Das Vermeiden dieser Vergrößerungs- bzw. Verkleinerungsbewegung entsprecht also dem naturgegebenen Umständen des Menschen.
Perspektiven
Durch den Gebrauch unterschiedlicher Perspektiven werden in dem vorliegenden Film die Machtverhältnisse zwischen den Protagonisten verdeutlicht. Äußerst prägnant ist die bei Claire Zachanassian häufig eingesetzte Froschperspektive (siehe Abb.4). Diese zeigt die Akteurin aus einer tieferen Position heraus und stellt sie somit übergroß dar. Schon als die Besucherin ihre ersten Schritte auf Güllener Boden verrichtet, wird sie von unten gefilmt. Im weiteren Verlauf trifft der Zuschauer mehrfach Situationen an, in welchen sie Alfred aus ihrem Hotelfenster heraus beobachtet und abermals aus der Froschperspektive gezeigt wird. Sie wirkt dadurch mächtig, stark und herrschend, was ihre große Einflusskraft auf die Stadt Güllen verdeutlicht. Im extremen Gegensatz dazu steht eine bezeichnende Darstellung von Alfred Ill. Er befindet sich auf der Treibjagd, die soeben begonnen hat, und wird im Anschluss von den übrigen Teilnehmern unter Beschuss gesetzt. Kurz vor Eröffnung des Feuers wird er aus der Vogelperspektive gezeigt (siehe Abb.5), was den Zuschauer vermuten lässt, dass Ill bei dieser Jagd alles andere als eine Jägerrolle, nämlich die des Opfers, innehat. Die Perspektive von oben herab lässt ihn klein und wehrlos wirken, was nicht nur seine Situation während der Treibjagt beschreibt, sondern auch die Gesamtsituation in der Gemeinde.
Bildkomposition
[Abb.5: Ill wird zu einem Gespräch mit Claire gedrängt]
Eine bezeichnende Bildkomposition für die Gesonnenheit der wichtigsten Einwohner gegenüber Ill lässt sich in der Szene finden, in welcher dieser überredet werden soll, Claire um Geld zu bitten (siehe Abb.5). Die Personen links neben Alfred Ill, dem baldig Gejagten, sind jene, welche skrupellos und egoistisch die finanziellen Hilfen für sich beanspruchen wollen und Ill zu einem Gespräch mit Claire drängen. Sie benutzen den Protagonisten zur Beschaffung des Geldes und sind zu allen Mitteln, beispielsweise Manipulation oder Täuschung, bereit. Die beiden Personen rechts im Bild, der Lehrer sowie der Pfarrer, beteiligen sich nicht an der Beeinflussung Ills und bevorzugen einen Einsatz der Spende im Sinne des Gemeinwohls. Weiterhin könnte der Blick Ills in Richtung des Fensters einem Drang nach Freiheit entsprechen, welcher durch die vier davor positionierten Figuren verhindert bzw. gefährdet wird. Die nach hinten geneigte Körperhaltung Ills zeigte eine nonverbale Abwehrreaktion gegen die vor ihn stehenden Personen sowie deren Ansichten und Absichten.
[Abb.6: Mia neben der reichen Claire]
Das folgende Bild spiegelt die sozialen und finanziellen Verhältnisse Claire Zachnassians wider (siehe Abb.6). Sie ruht in einem Liegestuhl, während Mia Mohr, Ills Tochter neben ihr sitzt. Deutlich wird, dass Claire hierbei durch die Nähe des Sonnenschirm und der luxuriöseren Sitzgelegenheit einen höheren Wohlstand zu verzeichnen hat, als ihre Gesprächspartnerin. Dennoch sind sich beide, wie der Handlungsverlauf gezeigt hat, ähnlich, was die im Hintergrund aufragenden Berge verdeutlichen. Die Felswände symbolisieren die Stärke und Willenskraft beider Frauen, da beide sich gegen die Stadt bzw. ihre Familie gestellt haben und innerlich gewachsen sind.
[Abb.7: Gespräch zwischen Vater und Tochter]
Die Szene, in welcher Vater Ill und Tochter Mia ihr versöhnendes Gespräch führen, besitzt eine Komposition, die die Verwandtschaftsbeziehung beider Akteure visualisiert. Beide stehen sich gegenüber und schauen sich in die Augen. Sie sind ähnlich groß und weisen dieselbe Körperhaltung auf, sodass Symmetrie entlang einer im Zentrum gelegenen senkrechten Achse sichtbar ist. Diese Symmetrie verbildlicht die Verwandtschaftsbeziehung der beiden Personen und verweist auf die gerade stattfindende Annäherung, durch welche sie sich einander wieder ähnlicher, also symmetrischer, werden.
Innerhalb der Szene des Fluchtversuch Ills ergibt sich eine weitere Komposition, die die Beziehung des Protagonisten zur Stadt visualisiert. Hierbei steht er außerhalb einer großen Menschentraube und schaut dem abfahrenden Zug, seiner einzigen Entkommensmöglichkeit, hinterher (siehe Abb.8, 9). Aus diesen Bildern wird Alfreds mittlerweile abgeschiedene und gejagte Rolle deutlich. Er ist nicht mehr Teil der Gemeinschaft Güllens, sondern muss sich als Individuum einer gesamten Stadt entgegenstellen. Alle Blicke liegen auf ihm, weil sein Tod die finanzielle Rettung der Stadt herbeiführt und er somit im Fokus der aktuellen Handlungen liegt.
Auch das abendliche Dinner Claire Zachanassians mit der Reporterin und Ills Tochter Mia Mohr charakterisiert deren soziale Beziehung. Trotz der Tatsache, dass beide sich nicht kennen wird durch das Setting, also vor allem die indirekte Beleuchtung, sowie dem Goldenen Schnitt, welcher zu verzeichnen ist, Nähe und Bekanntheit hergestellt. Die Szene wirkt auf den Betrachter vertraut, was sich ebenefalls in dem Beziehungsgeflecht widerspiegelt, denn die beiden Frauen verarbeiten in dieser Szene ihrer ähnlich konstruierte Vergangenheit, die Flucht aus Güllen sowie ihren Werdegang und befinden sich so, trotz der kurzen Dauer des Sichkennens in einem Status der Zusammenghörigkeit.
[Abb. 12: Die Mordszene]
Der Mord an Alfred Ill schließlich verdeutlicht die Situation der Stadt. Als Claire das Szenario erreicht, öffnen die Bürger Güllens die vorher geschlossene Traube rund um den toten Ill und bilden eine Gasse, durch welche Claire, von ihren Bodyguards gestützt, zu der Leiche gelangen kann. Dieser Durchgang symbolisiert die Macht Claires, welche sie über die Bürger ihrer Heimatstadt noch immer besitzt. Die Masse tritt bereitwillig zurück als die Initiatorin des Geschehens sowie großzüge Spenderin das Setting erreicht. Auch deutlich wird hierbei das Ergebnis ihrer Manipulation, der tote Ill. Die Positionierung der einzelnen Charaktere bildet dabei die Verhältnisse ihrer Jugend nach, da die Güllener bei jenem Prozess Claire und Ill ebenfalls distanziert beobachteten, selbst aber nicht bei solch einer Ungerechtigkeit einschritten. Somit kommt hier neben der Macht Claire Zachanassians auch die Teilnahmslosikgeit der Bevölkerung zum tragen.
Das Bild ist darüber hinaus im goldenen Schnitt konzipiert, und somit für den Betrachter besonders eingängig.
Hypothesenbezug
Die im Rahmen des Staging verwendeten stilistischen Mittel erleichtern dem Zuschauer das Verfolgen des Handlungsverlaufs. Die gegenwärtigen Macht- und sozialen Verhältnisse der Hauptcharaktere werden bspw. durch entsprechende Verwendung von Perspektiven und Kompositionen bestärkt. Sie stellen außerdem die Gesinnung einzelner Akteure bezüglich Ills dar. Die zunehmend durch Egoismus, Heuchelei und Brutalität geprägten Personen drängen den zunächst blind vertrauenden Alfred in eine Opferrolle und es kristalisiert sich sein Einzelschicksal heraus. Die Interpretationshypothese wird anhand dieser Mittel gestärkt.