Staging
Im Rahmen des Staging wird untersucht, wie die Handlung durch technischen und künstlerischen Mitteln der Kamera in Szene gesetzt bzw. inszeniert wurde. Hierfür werden nachfolgend die verwendeten Einstellungsgrößen, das Movement (die Bewegung der Kamera), die Perspektiven und Bildkompositionen betrachtet, um sie im Anschluss in Bezug zur Interpretationshypothese zu setzen.
Einstellungsgrößen
Grundsätzlich findet in Dogville durch den Gebrauch
von Handkameras und an der Decke fest installierten Kameras jede
Einstellungsgröße ihre Verwendung. An Anfängen und Enden von Szenen bzw.
Handlungssequenzen wird oftmals aus einer Totalen heraus in die Handlung
gezoomt bzw. aus einer Nahaufnahme innerhalb der Handlung in eine Totale
herausgezoomt. Durch die Totale wird zunächst der Gesamtüberblick ermöglicht.
Der Zuschauer betrachtet die vollständige Bühne und kann sich orientieren und
die Positionen der Schauspieler zuordnen. Es sollte an dieser Stelle angemerkt
werden, dass mit der Einstellungsgröße der Totalen in diesem Film die Sicht der
gesamten Bühnenfläche meint, da ein Blick über die Bühne hinaus nicht möglich
ist (siehe Abb.1). Zwar ist dieser Raum sehr begrenzt und flächenmäßig sicher
keiner Totalen zuzuordnen, aber er entspricht dem gesamten Handlungsraum des
Films und zeigt somit alles, was jemals bei Dogville zum Einsatz kommt.
Innerhalb der Handlungssequenzen wird durch die Handkamera
das Schauspiel hauptsächlich durch die Amerikanische, die Naheinstellung und
Großaufnahme aufgenommen. Der Großaufnahme kommt dabei eine besondere Bedeutung
zu, da sie besonders bei Grace sehr oft und mit äußerst geringem Abstand
eingesetzt wird. Durch die Nähe werden Mimiken im Gesicht und damit verbunden
die Emotionen sichtbar. In Situationen, bei denen in dem Charakter ein
Erkenntnisprozess stattfindet, eine Entscheidung verlangt wird oder Verwirrung
auftritt wird oftmals zur Großaufnahme herangezoomt, um den Fokus verstärkt auf
die sichtbaren Gefühlsregungen zu legen. In der Situation, in welcher Grace die
Glockenschläge, welche jeweils eine Stimme für ihren Verbleib symbolisieren,
zählt und zunächst nur 14 Schläge wahrnimmt – also einen Schlag zu wenig – wird
eine Großaufnahme von ihrem Gesicht gezeigt und die Off-Stimme berichtet von
Graces Gedanken, die währenddessen stattfinden und zusätzlich durch
Gesichtsregungen deutlich werden (siehe Video 1). Ebenso wurde eine
Großaufnahme von Grace gezeigt, als ihr Vater am Ende des Films anbietet, ihre
Probleme in Dogville zu lösen und ihr vorschlägt, diese Möglichkeit zu
überdenken. Während die Off-Stimme Graces Überlegungen diesbezüglich
kommentiert, wird ihr Gesicht herangezoomt und die Mimik wird überdeutlich.
[Video 1: Nahaufnahme zeigt Mimik]
Movement
Der komplette Film wurde zu großen Teilen scheinbar mit
Hilfe von Handkameras abgedreht, was die durchgängigen zum Teil heftigen Wackler
in der Kameraführung zeigen. Es gibt keine Aufnahmen, ohne Kamerabewegung – mit
Ausnahme der Bilder, die von den an der Decke fest installierten Kameras
stammen. Der Fokus wird aus diesem Grund zunächst auf die Movements der
Handkameras gelegt.
Wie bereits beschrieben, sind die Bewegtbilder der Handkameras durch mitunter große Wackler charakterisiert. Typisch sind außerdem schnelle Schwenker zur gegenwärtig agierenden Person. Die Kamerabewegung wirkt dabei suchend. Findet ein Gruppengespräch statt, bspw. im Rahmen einer Stadtversammlung, bei der die sprechenden Charaktere schnell wechseln, so kommt es vor, dass zunächst zu einer falschen Stelle geschwenkt wird, in welcher der Sprechende nicht zu sehen ist. Ist das der Fall, wird solange durch Schwenken der Sprechende gesucht, bis er gefunden wird und fokussiert werden kann. Für den Zuschauer wirkt das verwirrend, da er solch Eigenarten aus anderen Filmen womöglich nicht gewöhnt ist, aber zwangsläufig der Suchbewegung folgen muss. Bewegt sich die handelnde Person von der Kamera weg, so verfolgt diese den Akteur. Das zeigt, welch großen Bewegungsradius die Kamera besitzt. Nicht nur schnelle Schwenker, sondern auch der Zoom charakterisiert die ungewohnten Aufnahmen Lars von Triers. Es wird oft aus der Halbtotalen in die Großaufnahme herangezoomt. So auch als Grace auf einer der späteren Stadtversammlungen die unangenehmen Geschehnisse der letzten Wochen aufdeckt. Hier wird zunächst scheinbar aus der hintersten Sitzreihe heraus Grace fokussiert, sodass sie weit entfernt wirkt und die Hinterköpfe der Zuhörer zu sehen sind. Anschließend wird Grace herangezoomt zur Nahaufnahme und ihr Gesicht mit Mimiken und Emotionen wird erkennbar (siehe Video 2). Der Zoom dient also oftmals als Mittel, um den Fokus des Zuschauers auf die Reaktionen und Regungen einer speziellen Person zu lenken. Während des Zoomvorgangs, aber auch bei stillstehenden Aufnahmen wird teilweise das Bild unscharf dargestellt, ohne korrigiert zu werden. Dies wirkt, ähnlich wie die schnellen Schwenkbewegungen, verwirrend auf den Zuschauer, da ihm nicht genügend Informationen zugesendet werden. Unschärfe in Bildern bzw. Bewegtbildern dienen aber auch zur Verdeutlichung der Räumlichkeit. Oftmals findet ein Wechsel der Schärfeeinstellung statt, wie bspw. in der Szene, in welcher die Off-Stimme erzählt, dass die in Dogville neu gewonnenen Freunde von Grace sich langsam von ihr entfernen. Hier werden zunächst Graces Hände, welche ein Glas in ein Karton legen, im Vordergrund scharf gestellt und im Hintergrund ist Verschwommen das Gesicht von Liz zu sehen. Während des Kommentars der Off-Stimme ändert sich die Schärfestellung und Liz Gesicht wird deutlicher, während Grace Hände verschwimmen (siehe Abb.2 und 3). Es wird somit der Fokus von einer Person auf die andere gelegt bzw. es wird die Beziehung dieser beiden Personen verdeutlicht und somit das Gesagte unterstützt.
Wie bereits beschrieben, sind die Bewegtbilder der Handkameras durch mitunter große Wackler charakterisiert. Typisch sind außerdem schnelle Schwenker zur gegenwärtig agierenden Person. Die Kamerabewegung wirkt dabei suchend. Findet ein Gruppengespräch statt, bspw. im Rahmen einer Stadtversammlung, bei der die sprechenden Charaktere schnell wechseln, so kommt es vor, dass zunächst zu einer falschen Stelle geschwenkt wird, in welcher der Sprechende nicht zu sehen ist. Ist das der Fall, wird solange durch Schwenken der Sprechende gesucht, bis er gefunden wird und fokussiert werden kann. Für den Zuschauer wirkt das verwirrend, da er solch Eigenarten aus anderen Filmen womöglich nicht gewöhnt ist, aber zwangsläufig der Suchbewegung folgen muss. Bewegt sich die handelnde Person von der Kamera weg, so verfolgt diese den Akteur. Das zeigt, welch großen Bewegungsradius die Kamera besitzt. Nicht nur schnelle Schwenker, sondern auch der Zoom charakterisiert die ungewohnten Aufnahmen Lars von Triers. Es wird oft aus der Halbtotalen in die Großaufnahme herangezoomt. So auch als Grace auf einer der späteren Stadtversammlungen die unangenehmen Geschehnisse der letzten Wochen aufdeckt. Hier wird zunächst scheinbar aus der hintersten Sitzreihe heraus Grace fokussiert, sodass sie weit entfernt wirkt und die Hinterköpfe der Zuhörer zu sehen sind. Anschließend wird Grace herangezoomt zur Nahaufnahme und ihr Gesicht mit Mimiken und Emotionen wird erkennbar (siehe Video 2). Der Zoom dient also oftmals als Mittel, um den Fokus des Zuschauers auf die Reaktionen und Regungen einer speziellen Person zu lenken. Während des Zoomvorgangs, aber auch bei stillstehenden Aufnahmen wird teilweise das Bild unscharf dargestellt, ohne korrigiert zu werden. Dies wirkt, ähnlich wie die schnellen Schwenkbewegungen, verwirrend auf den Zuschauer, da ihm nicht genügend Informationen zugesendet werden. Unschärfe in Bildern bzw. Bewegtbildern dienen aber auch zur Verdeutlichung der Räumlichkeit. Oftmals findet ein Wechsel der Schärfeeinstellung statt, wie bspw. in der Szene, in welcher die Off-Stimme erzählt, dass die in Dogville neu gewonnenen Freunde von Grace sich langsam von ihr entfernen. Hier werden zunächst Graces Hände, welche ein Glas in ein Karton legen, im Vordergrund scharf gestellt und im Hintergrund ist Verschwommen das Gesicht von Liz zu sehen. Während des Kommentars der Off-Stimme ändert sich die Schärfestellung und Liz Gesicht wird deutlicher, während Grace Hände verschwimmen (siehe Abb.2 und 3). Es wird somit der Fokus von einer Person auf die andere gelegt bzw. es wird die Beziehung dieser beiden Personen verdeutlicht und somit das Gesagte unterstützt.
[Video 2: Zoomen zur Nahaufnahme]
In einigen Situationen wird dem Betrachterauge Ruhe
gegönnt, indem Bilder von einer fest installierten Kamera gezeigt werden, die
fest stehende, nicht wackelnde und schwenkende Bilder zeigt. Dies ist
ausschließlich bei Aufnahmen aus der Vogelperspektive der Fall. Diese dienen
als Überleitung zwischen Szenen und Kapiteln. Meist wird am Ende eines
Handlungsabschnittes von einer Groß- oder Nahaufnahme weggezoomt bis zu einer
Totalen aus der Vogelperspektive. Dann erfolgt eine Veränderung in Form einer
Lichtveränderung oder durch das Einblenden der Kapitelüberschrift. Anschließend
wird aus der Totalen in eine neue Situation hineingezoomt und es findet ein
Wechsel zu Aufnahmen der Handkamera statt (siehe Video 3). Von Zeit zu Zeit
wird das Bild hierbei zusätzlich gedreht, wie bspw. nach der Vergewaltigungsszene,
bei welcher aus einer Nahaufnahme von Grace auf dem Boden liegend zur Totalen
drehend weggezoomt wird.
[Video 3: aus der Totalen in Nahe und Handkamera]
Perspektiven
Die Aufnahmen der Handkamera sind mit wenigen Ausnahmen
ausschließlich aus der Normalperspektive heraus gedreht. Da sich die Kamera
hierbei viel bewegt, kommt es in einigen Momenten dazu, dass über die Schulter
des vor der zu fokussierenden Person befindlichen Charakters hinweg gefilmt
wird bzw. der Hinterkopf dieser Person mit auf dem Bild ist, bspw. als Tom nach
der Versammlung, auf welcher Grace die unangenehmen Wahrheiten der vergangenen
Wochen ausgesprochen hat, mit dieser redet und sich beide gegenüber auf dem
Bett sitzen. Hier ist Grace Hinterkopf zu sehen, während auf dem sprechenden
Tom fokussiert wird (siehe Abb.4). Der Zuschauer sieht aus der Perspektive
eines Akteurs und fühlt sich dadurch in die Handlung hineinversetzt bzw.
involviert. Es wird eine Nähe zur Handlung geschaffen.
In einigen Situationen werden Personen aus der
Normalperspektive heraus von leicht oben bzw. unten dargestellt. Als Zuschauer
ist man sich jedoch unsicher, ob dies nicht zufällig aus der Tatsache erwächst,
dass die Kamera aus einer bestimmten Höhe heraus filmt und schnell zu den redenden
Personen schwenkt, die sich in unterschiedlicher Höhe befinden. Ein Beispiel
hierfür ist eine Szene aus dem ersten Kapitel, in welcher sich Tom und Grace,
nachdem sie von Tom aus ihrem Versteck in der Mine geholt wurde, am Schreibtisch in Tom Edisons Haus gegenüber
sitzen. Tom sitzt sehr gebeugt und tief, während Grace aufrecht und hochgelegen
auf ihrem Stuhl verweilt (siehe Abb. 5 und 6). Die zwischen beiden befindliche
Kamera schwenkt aus ihrer mittelhohen Position heraus abwechselnd zu den beiden
Akteuren, ohne dabei ihre Position zu ändern, wodurch Tom leicht von oben und Grace
leicht von unten, aufgenommen werden. Dies wirkt eher unbeabsichtigt und wird
vom Zuschauer nicht als sinngebend wahrgenommen.
Äußerst
prägnant wirkt neben der vorherrschenden Normalperspektive die für Übergänge
verwendete Vogelperspektive meist auf die gesamte Bühne. Hier werden
ausschließlich der 45°-Winkel oder der 90°-Winkel verwendet. In beiden Fällen
wird Distanz zur Handlung und den Charakteren geschaffen, was die Überleitung zu
neuen Handlungssequenzen für den Zuschauer leichter nachvollziehbar macht. Es
wird das Setting in seinem vollen Ausmaß dargestellt und der Zuschauer kann
sich durch die Vogelperspektiven immer wieder neu verorten bzw. zurückbesinnen
zur Ausgangslage. Die Verwendung beider Winkel löst dabei unterschiedliche Wirkungen
aus. Der 45°-Winkel erzeugt Tiefe und Räumlichkeit. Er lässt die Bühne klein wirken
und die Schauspieler wie Marionetten, die von einer höheren Kraft gelenkt
werden. Der Zuschauer entfernt sich durch diese Wirkung von der Handlung und
erkennt sie als Schauspiel, als das Agieren verschiedener Rollen, ausgeführt
von puppenähnlichen Figuren (siehe Abb.7). Der 90°-Winkel schafft eine noch
größere Distanz, da die Akteure von oben nur als kugelähnliche Gebilde
wahrgenommen werden, die sich durch einen aufgezeichneten Grundriss bewegen.
Die Requisiten werden in ihrer Räumlichkeit nicht erkannt und alles wirkt wie
gemalt und künstlich animiert (siehe Abb.1). In wenigen Ausnahmen wird dieser
Winkel für Halbtotale bzw. Nahaufnahmen verwendet, bspw. als Grace stressiger
Tagesablauf im Zeitraffer gezeigt wird. Hierbei ist sie aus der Halbtotalen aus
der 90° Vogelperspektive zu sehen und die Kamera verfolgt ihre Schritte, indem
sie die Richtung mitfährt. Auch hier wirkt die Handlung durch die Perspektive
wie die Darstellung einer animierten Puppenstube. Der Stress, den Grace
empfindet, wird nicht nachempfunden, sondern lediglich als Tatsache hingenommen
(siehe Abb.8).
Komposition
Die einzelnen Bildkompositionen sind allein aus der
Besonderheit des Settings heraus sehr sonderbar und befremdlich. Der Zuschauer
kann durch die imaginären Wände hindurchsehen, was die handelnden Personen
offensichtlich nicht können. Dadurch entstehen Bilder, die verschiedene
Kleinstgeschichten miteinander vermischen. Am prägnantesten ist wohl das
Beispiel der Vergewaltigung von Grace durch Chuck. Als diese passiert wird mit einer Halbtotalen aus größerer
Entfernung der Schauplatz gefilmt. Jedoch rücken dadurch Handlungssequenzen
anderer Akteure mit in die Aufnahme hinein, wie bspw. die tuschelnden Töchter
von Chuck und der spazierende Tom sowie Mr. und Mrs. Henson, die sich über ihre
Glasschleiferarbeiten unterhalten (siehe Abb.9 und 10). Diese Anordnung der
Personen und sichtbaren Einzelsettings lässt die individuellen Handlungen in
den Hintergrund rücken und es wird primär das Gewusel einer gesamten Stadt
wahrgenommen. Das Einzelschicksal wird weniger dramatisch, da es durch das Vorhandensein
anderer Personen nur eines unter vielen ist und nicht fokussiert erscheint.
Neben diesem Gesamtcharakter der Komposition aller Bilder,
lassen sich einige Besonderheiten feststellen. Es werden meist Aufnahmen verwendet,
in denen die agierenden Personen im Zentrum fokussiert dargestellt werden
(siehe Diashow 4). Das ergibt sich vermutlich aus der Tatsache, dass die
suchende Kameraführung die Person zunächst finden muss und sie anschließend in
das Zentrum des Geschehens rückt. In nur einer Situation scheint eine
beabsichtigte Rahmung bzw. Rahmeneinstellung gedreht worden zu sein. Es handelt
sich um die Szene am vierten Juli, in welcher Tom Grace seine Liebe gesteht und
diese die Gefühle erwidert. Grace und Tom sitzen auf der Altweiberbank und
schauen sich an. Zwischen ihnen ist etwas Freiraum, sodass das
Hintergrundgeschehen durch die beiden Akteure hindurch, in der Mitte des Bildes
betrachtet werden kann (siehe Abb.11). Durch diese (Bewegt-)Bildkomposition
wird die Handlung der beiden Liebenden distanzierter wahrgenommen. Die Bewegungen
des Hintergrundes lenken den Zuschauer, gerade durch die Tatsache, dass sie
sich im Zentrum der Aufnahme befinden und bunte Farben besitzen, ab und das
Liebesgeständnis wird zwar wahrgenommen, aber kann nicht in ausreichendem Maß
genossen und nachempfunden werden.
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Ebenfalls aus der bereits beschriebenen suchenden Kameraführung
heraus erwächst die Auffälligkeit, dass zu größten Teilen asymmetrische Bilder
entstanden sind. Nur selten lässt sich eine Symmetrie feststellen, was dazu
führt, dass durch die Komposition keine stabilisierende Wirkung erreicht wird.
Die Handlung wird oft als kippelig und unausgeglichen wahrgenommen, was den
Charakter der Geschichte letztendlich unterstützt. Ein auffälliges Beispiel für
eine Bildkomposition, in welcher Symmetrie Verwendung findet ist gen Ende des
Films, als Grace zum Gangsterboss – ihrem Vater – ins Auto steigt und sie
miteinander diskutieren (siehe Abb.12). Es lässt sich mitunter eine gleiche
Gestik und Bewegung feststellen. Zudem ist an den jeweiligen äußeren Wänden
eine kleine Lampe angebracht, welche die Symmetrie betont. Die Komposition
betont die Gleichheit beider Charaktere. Es handelt sich um Tochter und Vater,
also verwandten Menschen, die von Natur aus zumindest aus biologischer Sicht
ein Grundmaß an Ähnlichkeiten aufweisen. Dass sie sich auch im Charakter ähneln
zeigt sich im Fortlauf der Geschichte, als auch Grace zum brutalten
Rechtsprecher über Dogville wird und die gesamte Stadt, mit Ausnahme des
Hundes, zum Tode verurteilt.
Weitere auffällige Kompositionen ergeben sich aus einigen
Darstellungen der Bewohner Dogvilles und Grace innerhalb eines Bildes. Es
werden oftmals die Bewohner als zusammengehörig und mit viel Nähe zueinander
gezeigt, während Grace allein abseits zu sehen ist. Hierfür ist ein
herausragendes Beispiel die Szene, in welcher Grace mit dem frisch angelegten
Fluchverhinderungsmechanismus in Richtung der Mühle, also ihrem Schlafplatz
geht (siehe Abb.13). Sie zieht an einer Kette das Wagenrad hinter sich her, welcher
jedoch nicht zu sehen ist, und hinter ihr stehen in einer Reihe aufgestellt die
Bewohner Dogvilles und richtigen die
Blicke auf sie. Es macht den Anschein, als würde Grace in diesem Bild die
Gemeinschaft Dogvilles hinter sie her ziehen. Die Komposition verdeutlicht,
dass sie als Einzelperson für die Gemeinschaft schuftet und nur noch Unzufriedenheit erntet. Ein weiteres Beispiel
ist während der Stadtversammlung, auf der Grace die Wahrheit ausspricht, auf
welche im Zentrum die sitzende Gemeinschaft dargestellt wird und Grace am Rande
mit dem Rücken zugewandt (siehe Abb.14). Mittels dieser Kompositionen wird die
Beziehung zwischen Grace und den Bewohnern Dogvilles verdeutlich. Dogville
bildet eine eingeschworene Gemeinschaft, in welcher Grace nie gleichberechtigter
Bestandteil war. Sie hatte zu jeder Zeit die Rolle des Außenseiters und
Andersartigen inne, auch wenn das zunächst von den Bewohnern nicht beabsichtigt
war.
Als
letzte Besonderheit der Inszenierung soll die wohl außergewöhnlichste Komposition
des gesamten Films vorgestellt werden: Grace Fluchtversuch auf der Ladefläche
von Bens Laster (siehe Abb.15). Es einer Vogelperspektive mit 90°-Winkel heraus
wird die Flüchtige in einer Nahaufnahme gefilmt. Sie ist in auf dem Rücken
liegender Position rechts und links umrahmt von Apfelkisten und einigen
freiliegenden Äpfeln. Die Bedeutung der Äpfel wird im Kapitel der Grundmuster
untersucht. Es soll jedoch an dieser Stelle erwähnt sein, dass Grace im Verlauf
des Films mit einem Apfel verglichen wird und dieser an vielen Stellen seinen
symbolischen Einsatz findet. Umrahmt von dem Hauptsymbolträger des Film wird
sie durch die halbdurchsichtige Lasterplane hindurch beobachtet, deren Struktur
noch zu erkennen ist. In dieser Bildkomposition ist einzigartig in dem Film kein
Hintergrund und keine Bühnenfläche sichtbar. Der Darstellungsraum besitzt nur
wenig Tiefe und es aus wie gemalt. Für den Zuschauer wird durch diese
Komposition der direkt Bezug zu den Äpfeln sichtbar und die Besonderheit der
Szene, in welcher Grace das einzige Mal innerhalb des Films die Stadt verlässt.
Hypothesenbezug
Bezüglich des Stagings lassen sich viele Besonderheiten und
für den Zuschauer ungewohnte Elemente finden. Sie lassen sich jedoch schwer auf
die Interpretationshypothese beziehen, da es so wirkt, als wollen die
stilistischen Mittel des Stagings eher von der Handlung und der daraus
erwachsenen Interpretationshypothese ablenken und eine Distanz herstellen. Die
Einstellgrößen setzen zwar die emotionalen Regungen Graces in den Mittelpunkt
und die Normalperspektive lässt den Zuschauer am Geschehen teilnehmen. An
wenigen Stellen unterstützt auch die Komposition den Kern der Handlung. Dies
rückt jedoch alles durch die zittrige, wacklige Kameraführung, welche durch
schnelle Schlenker die Orientierung innerhalb der Bühne erschweren, in den
Hintergrund und der Zuschauer muss sich zunächst mit diesen aus anderen Filmen
eher weniger bekannten Stilmitteln anfreunden.