Farbe und Licht
Auch in der Farbgestaltung lassen sich Veränderung während des Handlungsverlaufs entdecken.
Zu Beginn ist die stets verhangene Wolkendecke, welche über der Stadt schwebt, zu erblicken. Sie drückt auf die Stadt wie die finanziellen Schulden und lässt alle Aktivitäten in einem fahlen, fast trüben Licht erscheinen. Die Farben sind dumpf und kontrastlos, wodurch eine trostlose Atmosphäre vermittelt wird (vgl. Abb. 1, 2).
Einzig bei der Vorstellung der Reporterin Mia Mohr, welche sich im Verlauf des Films als die Tochter Ills identifiziert, werden einige Sonnenstrahlen sichtbar (vgl. Abb. 3). Die Szenerie ist lichtdurchflutet, bunter und wirkt befreit im Gegensatz zu der sonst erdrückt dargestellten Stadt Güllen.
Auch bei der Ankunft Claire Zachanassians können Besonderheiten in der Lichtgestaltung festgestellt werden. Es ist der helle Streifen am Horizont zu erkennen (vgl. Abb. 4), welcher die Besserung der finanziellen Lage der Bürger einleitet und bereits als Hinweis auf Claires Angebot dienen kann.
Die Veränderung im Farbkonzept
Nach der Ankunft der alten Dame in ihrer Heimatstadt ist auch an der Farbgestaltung eine Veränderung sichtbar. Die vorher trübseelig und aussichtslos wirkende Szenerie erscheint nun durch direktes Sonnenlicht sowie einer warmen, grünlich-braunen Farbgestaltung authentisch und bekannt (vgl. Abb. 5, 6). Dies könnte die Vertrautheit sowie die mit Grüntönen assoziierte Hoffnung widerspiegeln, welche Ill und die gesamte Stadt in Claire legen. Auch das Farb- und Lichtkonzept des Konferenzraumes während des Banketts wirkt warm und einladend (vgl. Abb. 7), womit Vertrauen gegenüber Claire symbolisiert wird.
Nach der Unterbreitung des Angebotes durch Claire Zachanassian ist zunehmend ein ausgewogenes Tageslicht zu erkennen. Auch die Wolkendecke reißt auf und blauer Himmel kommt zum Vorschein.
Insgesamt ist allerdings festzustellen, dass die Farbgestaltung eher einfarbig wirkt und stets aus den Möglichkeiten eines natürlichen Farbkreises schöpft. Es werden nie auffällige Farben verwendet. Auch die Kleidung der Bürger beschränkt sich auf Schwarz- und Naturtöne. Falls ein breiteres Farbspektrum zu erkennen ist wird dieses durch ein fahl erscheinendes Licht gedämpft (vgl. Abb. 10). Dies könnte die einheitliche Masse der Güllener Gesellschaft widerspiegeln.
Licht
Auch durch bestimmte Lichteinstellungen können Effekte erzielt werden. Beispielsweise kann die Lichtgestaltung in der Stammtischszene des Jagdvereines, bei welcher zunächst fünf der sieben Stadtältesten zugegen sind, in Bezug auf den kommenden Verrat an Ill gedeutet werden. Es wird hier deutlich sichtbar, dass sich die Lichtquelle am linken Rand befindet und einzig Ill vollkommen und gleichmäßig angestrahlt wird (vgl. Abb. 13). Die anderen Männer am Tisch werden so lediglich auf einer Hälfte beleuchtet, was den Großteil ihrer Gesichter im Schatten liegen lässt (vgl. Abb. 12, 13). Dies kann auf die zwei Seiten der Gemeinschaft Güllens hindeuten. Während Ill sich in Sicherheit wiegt, geben die anderen Gemeindemitglieder dies lediglich vor und denken im Geheimen, über einen Verrat nach, was die Skrupellosigkeit sowie den Egoismus der Gesellschaft aufzeigt.
Einzig der Lehrer, welcher im Verlauf der Szene zu der Gesellschaft stößt, wird durch seinen Platz neben Ill, am Ende des Tischkopfes, von vorn angestrahlt und wirkt deshalb weniger bedrohlich (vgl. Abb. 14), was seinem Verhalten im Film entspricht, da er stets auf der Seite Ills stand und die Handlungen der Bürger zutiefst missachtet.
Einzig der Lehrer, welcher im Verlauf der Szene zu der Gesellschaft stößt, wird durch seinen Platz neben Ill, am Ende des Tischkopfes, von vorn angestrahlt und wirkt deshalb weniger bedrohlich (vgl. Abb. 14), was seinem Verhalten im Film entspricht, da er stets auf der Seite Ills stand und die Handlungen der Bürger zutiefst missachtet.
Auch die Szene am See, in welcher Alfred Claire eine Waffe an die Schläfe hält mit der Intention der Tötung ist aus Sicht der Lichtgebung interessant. Claire steht allein am nebelüberfluteten See. Die Lichtquelle befindet sich vor der Protagonistin, sodass diese nur als schwarze Silhouette erscheint (vgl. Abb. 15). Dies lässt die Situation gefährlich, aber gleichzeitig auch geheimnisvoll erscheinen. Diese Mysteriösität wird noch intensiviert durch das erscheinen Alfreds (vgl. Abb. 16). Der Zuschauer soll hierdurch sensibilisiert und gefesselt werden. Als Alfred schließlich die Position hinter Claire einnimmt und ihr die Waffe anhält, ist deutlich zu sehen, dass fast sein ganzes Gesicht im Dunkeln verborgen wird (vgl. Abb. 17). So werden die Emotionen und Absichten Alfreds verschleiert und es bleibt unklar, wie die Situation ausgehen wird.
Hypothesenbezug
Durch Licht und Farben wird eine düstere Handlung eingeleitet und vorgegriffen. Der Lichteinsatz verschleiert dabei die Absichten des Handelnden für den Zuschauer. Auch zu erkennen ist, dass die Farbveränderungen einzig den Wohlstand repräsentieren, welcher im Verlauf der Handlung zunimmt. Den Charakter der Bürger allerdings kann er nicht wiedergeben, da dieser sich im Verlauf der Handlung stetig verschlechtert und moralisch verwerflicher wird. Auch die Lichtgestaltung in der Vereinsheimszene, in welcher alle außer Ill mit einem dunklen Schatten über dem Gesicht dargestellt werden, bestätigt die Hypothese des Verfalls der Bürger, da hierdurch die heuchlerische Ader besonders deutlich wird.