Farbe und Licht
Effekte bezüglich der Farbe und des Lichts werden in diesem Film sehr spärlich, aber mit viel Bedacht eingesetzt. Im Folgenden wird aus diesem Grund zunächst auf die vorrangige, neutral bis freundliche gehaltene Gestaltung eingegangen.
Hauptgestaltung
In dem überwiegenden Anteil der Szenen zielt die Farb- und
Lichtgebung auf eine Nachahmung der natürlichen Verhältnisse ab. Am Tage ist ein
ausschließlich weißer, flächiger Hintergrund zu sehen, welcher die gesamte
Bühne neutral und steril wirken lässt. Dem entgegen wirkt eine Mixtur aus
weißem und gelbem Licht. Diese Mischung erinnert an Sonnenstrahlen, die
einerseits direkt mit ihrer gelben Farbgebung auf die Figuren herabscheinen und
andererseits durch Reflexionen als meist weißes Licht zurückgeworfen werden.
Durch diese Lichtfärbung erhält der sterile Raum Freundlichkeit und lässt
sonnige Tage vermuten (siehe Abb.1).
Des Nachts taucht sich der Hintergrund in ein tiefes,
flächiges Schwarz, welches gerade durch den Gegensatz zum grellen Tagesweiß intim
und ruhevoll wirkt. Innerhalb dieses schwarzen Mantels wird auf vielfältige
Weise mit dem Licht umgegangen. Außerhalb der Wohnbereiche zeichnen sich in
einigen Nachtszenen Schattenspiele auf dem Boden ab, welche Baum- oder
Wolkenbewegungen skizzieren. In anderen
Szenen wiederum wird die Laternenbeleuchtung auf den Straßen imitiert. Hierbei
zeichnet sich der Verlauf der Straßen heller vom Boden ab, als die
unbeleuchteten Wohnbereiche (siehe Abb.2). Es wird versucht, die Begrenzung der
Wände mittels Beleuchtung zu verdeutlichen. Dies wird ebenfalls sichtbar durch
die Bestrahlung der einzelnen Zimmer in wiederum anderen Szenen – je nach
Handlungsfokus. So wird beispielsweise Toms Schreibtischlicht beim Betreten des
Raumes scheinbar gezündet. Es wird ein nicht sichtbares Beleuchtungselement
über den Bereich dieses Zimmer eingeschaltet und lässt es in einer Art Spot
erleuchten. Personen und vor allem deren Gesichter werden vor dem nächtlichen
Hintergrund zum Teil unterbelichtet, wenn bspw. ein Schatten- oder Randbereich
der Bühne betreten wird (siehe Abb.3). Dies ähnelt den nächtlichen Lichtverhältnissen
der Natur, in denen ein Gegenstand am äußersten Rand eines ohnehin schon
schwach beleuchteten Bereichs nur schlecht erkannt werden kann. An anderen
Stellen arbeitet die Filmcrew mit Überstrahlungen. Hier werden durch eine
Lichtquelle die Umrisse der Person zum Leuchten gebracht (siehe Abb.4). Die
Figur hebt sich dadurch stärker von dem Hintergrund ab und rückt in das Zentrum
der Handlung. Dieser Effekt wird (wenn auch weniger häufig) ebenso am Tage
verwendet. Neben der Verwendung des Lichts als Aufheller bzw. Sichtbar-Macher,
wird außerdem die Farbe des Licht in der Nacht variiert. Es gibt einerseits warme
Nächte mit einer ähnlich aus weiß und gelb gemischten Farbgebung wie tagsüber –
jedoch weniger intensiv – und andererseits gibt es scheinbar kühle Nächte mit
einer blauen Farbgebung.
Die für die Kleidung und Requisiten verwendeten Farben sind für sich kontrastreich, werden jedoch, wie alle anderen Farben auch, im Film dumpf dargestellt, was einen rustikalen Gesamtcharakter verleiht. Einige wenige Farbakzente stechen dennoch während der Handlung heraus. Es handelt sich hierbei um vorrangig rote Tönungen, wie bspw. Liz‘ Haartuch oder die Lippen einiger Frauen. Im Fall der jungen, schönen Liz verkörpert das Rot ihres Haartuches die Leidenschaft und das Temperament der dynamischen Frau (siehe Abb.5).
Besonderheiten
Obwohl bzw. gerade weil der Film vorwiegend auf natürliche
und eher unauffällige Weise belichtet und eingefärbt wird, fallen einige
Abwandlungen dieser Gestaltung besonders in das Betrachterauge. Die wichtigsten
unter ihnen werden nun in chronologischer Reihenfolge beschrieben.
Nach etwa 25 Minuten Handlung stellt Tom der flüchtigen Grace die Eigenarten der einzelnen Stadtbewohner vor, woraufhin diese Dogville trotz alledem als bezaubernd betitelt. Im direkten Anschluss vollzieht sich über die gesamte Bühne eine Lichtveränderung (siehe Abb.6 und 7), auf welche sogar durch die Off-Stimme aufmerksam gemacht wird. Nachdem Tom erklärt, dass Grace den Bewohnern ungeachtet ihrer eigenen Sympathie ihnen gegenüber Leistungen als Ausgleich für ihren Aufenthalt bieten und sich auf eine Art Spiel einlassen müsse, wird klar, dass es sich hierbei um eine konsequenzreiche Wendung handelt, welche durch den Lichtumschwung untermalt wurde.
Nach etwa 25 Minuten Handlung stellt Tom der flüchtigen Grace die Eigenarten der einzelnen Stadtbewohner vor, woraufhin diese Dogville trotz alledem als bezaubernd betitelt. Im direkten Anschluss vollzieht sich über die gesamte Bühne eine Lichtveränderung (siehe Abb.6 und 7), auf welche sogar durch die Off-Stimme aufmerksam gemacht wird. Nachdem Tom erklärt, dass Grace den Bewohnern ungeachtet ihrer eigenen Sympathie ihnen gegenüber Leistungen als Ausgleich für ihren Aufenthalt bieten und sich auf eine Art Spiel einlassen müsse, wird klar, dass es sich hierbei um eine konsequenzreiche Wendung handelt, welche durch den Lichtumschwung untermalt wurde.
Eine
weitere auffällige Gestaltung des Licht findet sich in der 46ten Minute des
Films, in welcher Grace Jack McKay auf seine Blindheit hin provoziert und seine
schweren Fenstervorhänge aufzieht. Es folgt im Fenster die wärmste Belichtung,
die es in diesem filmischen Werk gibt (siehe Abb.8). Jack McKay betitelt dieses
goldene Farbenspiel als „Alpenglühen“. Grace, die sich zuvor eine enorme
Provokation geleistet hat, erkennt nun den Fehler dieses vorschnellen und
unsensiblen Herangehens. Die Lichtveränderung markiert in dieser Szene einen Erkenntnisprozess
auf der Seite von Grace.
Im Rahmen einer Rückblende, welche die Erinnerung der
schönen Flüchtigen bezüglich jedes einzelnen Stadtbewohners zeigt, werden die Bilder
der Vergangenheit in einem Braunton dargestellt, also mit einem Sepia-Effekt
(siehe Abb.9). Diese Erinnerungen erscheinen im Zusammenhang der nach zwei
Wochen stattfindenden Abstimmung über den Aufenthalt Graces. Sie hat
mittlerweile die Stadtbewohner liebgewonnen und erkennt, dass sie durch ihr
Dasein und ihre Arbeit etwas geleistet hat. Durch den Sepia-Effekt werden die
Erinnerungsbilder romantisiert und unterstützen den sentimentalen Charakter der
Szene.
Im Anschluss der Zuvor beschriebenen Situation klettert
Grace den Pfad in die Berge hinauf, da sie vermutet, nicht in der Stadt bleiben
zu dürfen. Als jedoch das gegenteilige, erlösende Glockensignal zu hören ist,
wandelt sich das zuvor natürlich gehaltene Licht – wie es zu Beginn dieses
Gliederungspunktes beschrieben wurde – in einen warmen, goldenen Farbton und lässt
die Szene eine friedvolle Wendung nehmen (siehe Abb.10 und 11). Grace ist
glücklich und froh darüber, in Dogville bleiben zu dürfen, was durch die
Farbgebung der Beleuchtung untermalt wird.
Der nächste fast unmerkliche, jedoch auf der Handlungsebene
entscheidende Umschlag der Situation bzw. der Lichtverhältnisse geschieht in
der Szene des 4. Julis. Ein Polizist erscheint in der Stadt und tauscht Graces
Vermisstenanzeige gegen einen Steckbrief aus, auf welchem die Gesuchte als
gefährlich betitelt wird. Der von der Kamera fokussierte Steckbrief erscheint
zunächst in einer festlichen warmen Farbe, in welche die bisherige Feier
gehüllt war, und wird anschließend von einem kühlen Blau umgeben, welches die
Situation bedrohlich wirken lässt (siehe Abb.12 und 13). Die farbliche
Abkühlung symbolisiert die darauf folgende atmosphärische Abkühlung in der
Stadt. Grace kann die Bewohner mit ihren Arbeiten nun nicht mehr
zufriedenstellen und der Prozess des Kippens scheint begonnen zu haben.
Ähnlich der ersten Lichtveränderung, findet ein weiterer von der Off-Stimme angekündigter Umschwung
gegen Ende des Filmes statt. Grace bekommt von ihrem Vater das Angebot,
heimzukehren und über die ihm untergeordneten Gangster verfügen zu können. Mit
dem ursprünglichen Vorhaben, dieses Angebot abzuschlagen, begibt sie sich auf
einen kurzen Spaziergang durch die Stadt. Während diesem Ausflug erhellt sich
der zuvor bewölkte Mond und taucht den Schauplatz in ein kühles blau (siehe
Abb.14 und 15). Für Grace stellt dieser Lichtwechsel einen Erkenntnisprozess
dar. Ihr wird klar, dass sie den Bewohnern Dogvilles die vorgefallenen
Ereignisse nicht verzeihen kann und eine schicksalhafte Wendung nimmt ihren
Lauf – Grace nimmt das Angebot ihres Vaters an.
Als Finale des Film und Folge der letzten zuvor dargelegten Handlungswendung,
werden die Bewohner Dogvilles durch die Gangster niedergeschossen. Die Stadt
wird in Brand gesteckt. Das erste und einzige mal in diesem Film taucht sich
der Hintergrund nicht in ein steriles weiß oder ein abendfriedliches schwarz,
sondern in ein kriegerisches und aggressives rot (siehe Abb.16). Es werden
dadurch Glut, Feuer, Blut und schließlich Tod imitiert, welches den Abschluss
des Films bildet.
Hypothesenbezug
Die Verwendung von Licht und Farben sind mit Ausnahme der oben
dargelegten Besonderheiten im Verlauf der Handlung gleichbleibend und
unterstreichen die Geschehnisse in nur wenigen Situationen. Tritt jedoch
eine Sonderheit auf, so hat diese in Abgrenzung zur vorrangig
stattfindenden Beleuchtung des Films einen enormen Effekt. Sie zeigen
einerseits Graces Wohlwollen gegenüber der Stadt, ihren Wunsch, dort
bleiben zu dürfen und dadurch weiterhin ihr Schicksal in die Hände der
Bewohner legen zu können. Gemäß der Hypothese wird ihr Charakter
verstärkt, durch welchen sie das blinde Vertrauen gegenüber Dogville an
den Tag legt. Dass jedoch gerade diese Naivität furchtbare Wendungen mit
sich bringt, greifen die von der Off-Stimme angekündigten
Lichtveränderungen vorweg. Bei diesen äußert Grace zuvor positive
Gedanken bzgl. der Stadt und ihren Bürger, wird jedoch durch den
Umschlag des Lichts in ein kühles blau von diesen Wertungen distanziert.
In diesen kurzen Augenblicken strahlt das wahre Gesicht des Ortes
hindurch, welches gemäß der Interpretationshypothese geprägt ist durch
Grausamkeit, Heuchelei und Selbstgier. Es handelt sich hierbei um
Wendungen, die für die Zuschauer nicht sichtbar in Graces Kopf
stattfinden, weshalb eine Verdeutlichung durch das Licht nötig ist. Das
rote Licht in der finalen Szene zeigt das Setting losgelöst von der
bisherigen Handlung. Grace unternimmt einen – sogar für sie selbst –
unvorhersehbaren Schritt, durch welchen die gesamte Stadt endgültig
ausgelöscht wird.