Editing
Betrachtet man den Schnitt des Filmes, so wird ein eindeutiges Muster sichtbar. Es handelt sich hierbei um einen unsichtbaren Schnitt, welcher dem Zuschauer das Folgen der Handlung erleichtern soll. Im Folgenden sollen nun einige Komponenten dieser Schnittart vorgestellt werden.
Der unsichtbare Schnitt
An dem unten aufgeführten Beispiel kann die Verwendung des unsichtbaren Schnitts beschrieben werden. Die Szene zeigt, wie rückblickend die Vorbereitungen der Stadt zu sehen sind. Mit einem Schwenk auf das Autohaus Ills sowie dem Verweilen des Bildes auf eben diesem wird ein Szenenwechsel in das Innere des Gebäudes angedeutet. Der Schnitt in diese neue Umgebung erscheint daher als logische Konsequenz.
[Video 1: unsichtbarer Schnitt]
Auch fließende, stufenweise Einstellungsübergänge dienen dazu, den
Schnitte für den Betrachter weniger auffällig werden zu lassen und sie somit zu verschleiern. Das folgende Beispiel einer Fensterszene verdeutlicht dies.
Establishing Shot
Darüber hinaus erfolgt in vielen Szenen ein Establishing Shot,
also eine Totale zu Beginn einer Sequenz. Mit Hilfe des Schnitts zu dieser Einstellungsgröße wird der Zuschauer zunächst in die neue Räumlichkeit und Handlungssituation etabliert. Der weitere Verlauf des Geschehens kann nun dargestellt werden und vom Betrachter einfacher in das Gesamtgeschehen verortet werden. Ähnlich dem unsichtbaren Schnitt wird auch dem Zuschauer das Folgen der Geschichte erleichtert.
Schuss-Gegenschuss
In Dialogsituationen wird mit übergroßer Häufigkeit sie sogenannte Schuss-Gegenschuss-Techniken eingesetzt. Hierbei folgt der Schnitt in die Perpektive der Konversationspartners dem Wechsel der Sprechaktivität, sodass immer die Person gezeigt wird, welche gegenwärtig spricht, aus der Perpektive des Zuhörers.
Es werden dadurch unauffällig und auf natürlich wirkende Weise die Perspektiven beider Akteure zusammengeführt. Folgendes Beispiel
zeigt ein Gespräch zwischen Ill und Claire.
Es wird dabei deutlich, dass sich die Gesprächspartner in der gleichen
Situation befinden und den jeweils anderen betrachten, da die Schulter des anderen am Rand des
Bildes zu sehen ist. So wird der Eindruck der Zusammengehörigkeit der
Bilder erweckt und Involvement gefördert.
Akustische Klammern
Ein verwischter Übergang zwischen zwei Szenen wird in dem vorliegenden Film durch den Einsatz akustischer Klammern bewerkstelligt. So hört man bspw. im Schnitt von der Überredungsszene Ills am See zur Szene, in welcher dieser mit Freunden aufgrund der zugesprochenen Finanzspritze anstößt, das Knallen des Sektkorkens noch bevor die neue Szene sichtbar ist und
Ill die erfreuliche Botschaft einer Spende Zachanassians erklärt (vgl.
Der Besuch der alten Damen, 15:21). Ebenso wird die sich wiederholende
Melodie zwischen dem Ende einer Szene sowie dem Anfang der nächsten
gespielt, verstummt allerdings im weiteren Verlauf der Szene (vgl. Der Besuch
der alten Dame, 16:20ff).
Besonderheit
Als schnitttechnische Besonderheit kann die Treibjagdszene angesehen werden. Hier wird
nicht nur durch die mystisch anmutenden Lichtkomposition der Effekt
einer Jagd inszeniert, auch die zu Beginn ruhigen und im Verlauf der
Szene schneller werdenden Schnitte unterstützen dies. Zusätzlich verdeutlicht die Darstellung Ills aus der Vogelperspektive dessen Erkenntnis, selbst zum Gejagten geworden zu sein. Darüber hinaus wirken die Schnittbilder der
Schuhe und Gewehre der restlichen Jagdgruppe bedrohlich und vermitteln die Verwirrung und Orientierungslosigkeit des Opfers. Die Gefahr, welche von den Bewohnern des Dorfes ausgeht, wird ersichtlich.
Am Ende der Szene wird schließlich aus einer Totalen heraus gefilmt. Es sind Schüsse zu hören, von denen zunächst ungewiss bleibt, ob sie ihr Ziel getroffen haben. Die Spannung wird verstärkt und die Situation bleibt ausgerechnet am Ende der Szene offen.
[Video 2: Die Treibjagd]
Die Szene ist aufgrund der genannten Mittel einzigartig im Film, da
im restlichen Material oft aufgrund der Positionierung der
Schauspieler auf Schnitte verzichtet werden konnte, wie beispielsweise in Abbildung 6 zu sehen ist. Alle Personen sind gleichzeitig zu erkennen und spielen sich eigenständig durch ihre Bewegung in den Vor- oder Hintergrund. Schnitte sind damit überflüssig und können eingespart werden.
Hypothesenbezug
Es wird an der Schnitttechnik also deutlich, dass der Zuschauer durch ein kaum wahrnehmbares und für ihn angenehmes Editing in die Story involviert werden soll. Es erfolgen keine Brüche in der Handlung selbst, welche den Betrachter zu einer kritisch-reflexiven Haltung animieren könnten. Der Handlungsentwicklung kann dadurch bestmöglich gefolgt werden und die Ereignisse und Wendungen fokussiert wahrgenommen werden. Da sich die Interpretationshypothese auf die Handlung bezieht - es wird die moralische Abflachung einer Gemeinschaft aufgrund eines auftretenden Einzelschicksals beschrieben - können die Mittel des Editing zumindest als die Hypothese unterstützend angesehen werden.