Grenzen des epischen Theaters
Als ein Problem des epischen Theaters formuliert Brecht (1936, S. 81) die mangelnde Auseinandersetzung mit dem Individuum. Der Einzelne bekommt lediglich im Zusammenhang des Kollektivs, der Gesellschaft eine Bedeutung. Das epische Theater demonstriert das Zusammenleben, nicht das Leben des Einzelnen (vgl. Brecht 1936, S. 81)
Somit stellt sich jedoch die Frage, ob Brecht mit seiner Theorie des epischen Theaters jene kritische-reflektierenden Individuen, welche herausgebildet werden sollen, nicht schon voraussetzt (vgl. Kittstein 2008, S. 43). Denn nur Zuschauer, welche bereits in der Lage sind Handlungen und Situationen zu hinterfragen, können Verfremdungsaspekte des Theaters verstehen und deuten. Diese sollen jedoch erst herausgebildet werden. So könnte eher von einer Ausdifferenzierung oder Erprobung kritischen Denkens gesprochen werden.
Auch die Absicht der Läuterung bedarf der Reflexion. So geht Brecht von einer idealisierten Welt aus, welche durch den Konsum seiner Stücke erreicht werden kann. Dies ist aber vor allem aufgrund der nicht vorhersehbaren internen kognitiven Prozesse der Zuschauer unannehmbar (vgl. Raddatz 1985, S. 34).