Editing
Die Analyse des Editing beinhaltet die angewendeten Schnitttechniken und ihre Wirkung auf den Zuschauer.
Jump Cuts
In dem Film Dogville werden einzelne Filmsequenzen oftmals mittels Jump
Cuts miteinander verknüpft. Hierbei werden vom Zuschauer Sprünge
zwischen den einzelnen Bilder wahrgenommen, was den Übergang als holprig
und sprunghaft erscheinen lässt. Der Grund dieser Wirkung liegt
einerseits in nicht ineinander übergehende Bewegungen der Akteure und
andererseits in Sprüngen von räumlichen Positionen der Darsteller. Dem
Betrachter wird in beiden Fällen deutlich gemacht, dass es sich bei dem
Bildmaterial um einen geschauspielerten Film handelt, in welchem
einzelne Szenen z.T. mehrfach gedreht wurden. Auch bezüglich der
Perspektiven und Einstellungsgrößen sind unerwartete und ungewohnte
Sprünge im Schnitt zu verzeichnen. Ein Beispiel, welches viele dieser
Eigenschaften belegt ist ein Gespräch zwischen Tom und Grace nach dem
Fluchtversuch der letzteren (siehe Diashow 1). Hierbei gesteht Tom, dass
er die Bewohner Dogvilles auf eine falsche Fährte gelockt hat, indem er
ihnen erzählte, Grace habe das Geld von seinem Vater gestohlen, obwohl
er dies selbst getan hat. Grace schaut ihn zunächst an und hält beide
Hände neben sich auf dem Bett. Im nächsten Schnitt befindet sich eine
Faust Graces erhoben und sie schlägt auf das Bett. Ein weiterer Schnitt
folgt und Grace hält mit der anderen Hand bereits ihre Stirn. Einige
Sekunden später wird die Situation aus einer Vogelperspektive mit
deutlich größerem Abstand gezeigt. In diesem Beispiel sind unklare
Bewegungsübergänge und Sprünge in Perspektive und Einstellungsgröße zu
verzeichnen, die auf den Zuschauer einen verwirrenden Eindruck ausüben.
Er muss sich durch Sprünge dieser Art auf der Bühne immer wieder neu
orientieren und die Positionen der handelnden Personen suchen. Die wirkt
sehr befremdlich und wendet den Fokus von den Dialogen und Handlungen
ab.
[Video 1: Jump Cuts]
Auf- und Abblenden
Bei den Übergängen zwischen den einzelnen Kapiteln und
teilweise zwischen Handlungssequenzen innerhalb eines Kapitels werden Ab- und Aufblenden
verwendet. Das letzte Bild eines jeden Kapitels wird verdunkelt und die
Überschrift des Folgekapitels wird vor schwarzem Untergrund aufgeblendet (siehe
Diashow 2). Die daran anknüpfenden Bilder des neuen Kapitels werden mittels
hartem Schnitt übergeleitet. Mit Hilfe dieser fließenden Blendungsarten wird
dem Zuschauer der Übergang zwischen den Thematischen Rahmen erleichtert und er
kann sich auf einen neuen Handlungsstrang vorbereiten.
[Video 2: Abblenden am Ende einer Szene sowie Einblenden der Kapitelüberschrift]
Schuss-Gegenschuss
Dialoge werden meist in einer Perspektive und
Einstellungsgröße dargestellt, in der ein Schnitt zu der jeweils sprechenden
Person nicht notwendig ist. In solchen Fällen wird oftmals der Jump Cut
verwendet. In einigen Fällen werden Dialoge aber auch aus der Nahaufnahme
gezeigt, die das Aufnehmen beider Akteure innerhalb eines Bildes nicht
ermöglichen. Ist dies der Fall, findet ein Wechsle aus Schuss-Gegenschuss-Übergeleitet
und Schwenken statt. Die Schnitttechnik des Schuss-Gegenschuss zeigt mittels
harter Übergangsschnitte immer die Person, die augenblicklich redet – es werden
also abwechselnd beide Akteure gezeigt. In manchen Fällen wird sogar öfter
geschnitten, als es aufgrund des Sprechwechsels nötig ist. Ein Beispiel für
einen Mix aus Schuss-Gegenschuss und Schwenken ist in dem ersten Kapitel zu
verzeichnen, als Grace und Tom sich kurz nach ihrem ersten Zusammentreffen im
Haus der Edisons unterhalten (siehe Diashow 3). Durch den Schnitt in der Form von
Schuss-Gegenschuss, wird erreicht, dass der Zuschauer die sprechende Person
betrachten und die Mimik und Gestik eben dieser deuten kann. Ihm wird dadurch
ein zusammenhängendes Bild zwischen Gehörtem und Gesehenem vermittelt und er
fühlt sich in eine reale Kommunikation hineinversetzt.
[Video 3: Schuss-Gegenschuss]
Plansequenz
Die drei bisher beschriebenen Schnittmuster
finden einen regelmäßigen Einsatz in dem Film. Eine Sonderheit bildet hingegen
mit ihrem einmaligen Einsatz die Plansequenz, mit welcher die Fluchtfahrt
Graces auf der Ladefläche von Bens Laster dargestellt wird. Eine Plansequenz zeigt
eine komplette Handlungseinheit ohne Schnitt. Die Lasterfahrt von Grace dauert
5 Minuten, innerhalb derer Perspektive und Einstellungsgröße beibehalten werden
und nur 5 Schnitte zur Verdeutlichung der vergangenen Zeit eingesetzt werden. Diese
Szene wird von allen anderen abgehoben und als etwas Besonderes markiert. Sie
ist die einzige Sequenz, die außerhalb der Stadt spielt und zusätzlich eine symbolträchtige
Bildkomposition besitzt.
Hypothesenbezug
Der Schnitt wirkt aufgrund der
vorrangig verwendeten Jump Shots sehr befremdlich und lenkt den Fokus eher auf
die Neuorientierung auf der Bühne nach jedem Schnitt, als auf die Handlung.
Durch die Nutzung von Auf- und Abblenden sowie Schuss-Gegenschuss wird an
einigen Stellen jedoch dem Zuschauer eine Pause gegönnt und er kann sich auf
die visuell vermittelten Zeichen bezüglich der Handlung verlassen. Ein Bezug
zur Hypothese kann hier jedoch nicht hergestellt werden, da der Schnitt eher
den Film als Darstellungsmedium thematisiert, also als künstlich hergestellter
Informationsträger, als die Handlung zu unterstützen.