Einleitung
In diesem Kapitel wird der Film Dogville ausgehend von einer, aus der Narration und den Charakterentwicklungen der Figuren generierten Interpretationshypothese analysiert und interpretiert. Hierfür werden in den jeweiligen Unterkapiteln die wichtigsten filmstilistischen Mittel untersucht. Im Rahmen der Mise-en-Szene werden die spezifischen Wirkungen des Settings, der Farbe und des Lichts, des Tons und der Musik sowie des Stagings auf den Zuschauer betrachtet. Anschließend liegt der Analysefokus auf den Techniken des Editings sowie den erkennbaren Grundmustern und den dadurch erzeugten Effekten. Abschließend fasst das Fazit die Ergebnisse der Filmanalyse in Bezug auf die Interpretationshypothese zusammen.
Der Film
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Narration
Die Narrationsstruktur des Filmes Dogville folgt dem Chronologiemuster, welches durch eine lineare Erzählung ohne Rückblenden bzw. Flashbacks gekennzeichnet ist. Es gibt einen Prolog und neun darauf folgende, aufeinander aufbauende Kapitel. Zur Verdeutlichung dieser Struktur dient folgende Abbildung.
Der Prolog
folgt keiner spezifischen Handlung und dient dem Vorstellen der
Ausgangssituation. Es werden Handlungsort und beteiligte Personen in einem
Überblick gezeigt und beschrieben. Die folgenden neun Kapitel beschreiben Graces
Geschichte in Dogville, beginnend mit ihrer Ankunft und endend mit ihrem
endgültigen Abschied von der Stadt.
Im Folgenden werden der Prolog und die einzelnen Kapitel inhaltlich vorgestellt, um einen detaillierteren Überblick über die Handlung zu erhalten.
Im Folgenden werden der Prolog und die einzelnen Kapitel inhaltlich vorgestellt, um einen detaillierteren Überblick über die Handlung zu erhalten.
„Prolog (der uns die Stadt und ihre Bewohner vorstellt)“ (00:03)
[Abb.3: Draufsicht von Dogville]
„Dies ist die traurige Geschichte der Gemeinde Dogville“ (00:08). Sie
liegt in den Rocky Mountains in den vereinigten Staaten von Amerika zur
Zeit der Großen Depression, dem Beginn der Weltwirtschaftskrise. Die
Einwohner Dogvilles sind brave ehrliche Leute. Darunter Tom, ein
selbsternannter Schriftsteller und Denker, der es sich zum Ziel gesetzt
hat, das moralische Gedächtnis seiner Mitbürger durch
„Veranschaulichungen“ aufzufrischen. Er dreht seine übliche Runde durch
das Städtchen und trifft dabei alle Einwohner Dogvilles, die durch die
Erzählstimme kurz vorgestellt werden. Auf ihre ausführliche Beschreibung
wird im Punkt Charakterisierung näher eingegangen.
„Erstes Kapitel. In welchem Tom Schüsse hört und Grace kennenlernt.“ (07:50)
[Abb.4: Tom bietet Grace an, in Dogville Schutz zu suchen]
Auf dem Weg nach Hause hört Tom Schüsse und trifft auf die schöne
Grace, welche auf der Flucht vor Gangstern ist. Er bietet ihr an, in
Dogville Unterschlupf und Schutz zu suchen. Die Einwohner Dogvilles reagieren kritisch auf diesen Vorschlag, lassen sich jedoch auf einen Kompromiss ein: Grace darf zwei Wochen auf Probe in der Stadt wohnen. Anschließend soll eine neue Versammlung einberufen werden, in der über ihren längeren Verbleib abgestimmt werden soll. Tom stellt Grace in einem Rundgang die Stadt vor. Sie ist entzückt und nimmt Toms Rat an, den Einwohnern körperliche Arbeit anzubieten, um ihr Wohlwollen zu erhalten.
„Zweites Kapitel. In welchem Grace Toms Plan befolgt und sich auf körperliche Arbeit einlässt“ (25:44)
[Abb.5: Ma Ginger lehrt Grace]
Am nächsten
Tag wird Graces Hilfsangebot zunächst von allen Bewohnern abgeschlagen. Nur bei
Ma Ginger findet sie mit Toms Hilfe Arbeit und soll zukünftig die wilden
Stachelbeersträucher von Unkraut befreien, was sonst keiner geschafft hatte zu
erledigen. Als Grace diese Arbeit zufriedenstellend erledigt, wird sie von den anderen Einwohnern ebenfalls angestellt – für Arbeiten, die bisher nicht notwendig waren. Zu Chuck findet sie noch immer keinen guten Anschluss. Er erzählt ihr jedoch, dass die Stadt verkommen sei und sie sich nicht von den Menschen täuschen lassen dürfe. Tom verliebt sich in Grace und sieht die Chance, seine Mitbürger mit Hilfe von Grace als Veranschaulichung im Fach „Annehmen“ zu erziehen.
„Drittes Kapitel. In welchem Grace sich eine fragwürdige Provokation leistet.“ (43:05)
[Abb.6: Grace findet Geschenke in ihrem Bündel]
Zwei Wochen sind nun vergangen, in denen Dogville
Grace ans Herz gewachsen ist, obwohl die Einwohner sie scheinbar gering
schätzen. Sie leistet sich bei dem blinden Mr. Mc Kay, der es abstreitet, sein
Augenlicht verloren zu haben, eine Provokation, die ihn dazu bringt, seine
Blindheit einzugestehen. Da die vereinbarte Zeit verstrichen ist, findet die
Stadtversammlung statt, bei der über Grace Zukunft abgestimmt werden soll. Grace
bleibt dieser fern, um den Bürgern ihre Meinungsfreiheit zu lassen und holt
vorsorglich das Bündel mit ihrem Hab und Gut hervor. Dabei findet sie von den
Einwohnern Dogvilles kleine Geschenke in dem Bündel versteckt. Grace ist sehr gerührt darüber und zeigt große Freude, als sie erfährt, dass jeder der 15 Bewohner für ihr Bleiben gestimmt hat.
„Viertes Kapitel. Glückliche Zeiten in Dogville.“ (54:12)
[Abb.7: Die Vermisstenmeldung wird betrachtet]
Die Zeit zwischen Frühling und Frühsommer ist eine gute Zeit für Grace.
Sie dient den Stadtbewohnern, bekommt ihren ersten, wenn auch geringen
Gehalt, von dem sie sich eine der sieben Porzellanfiguren aus dem Laden
kauft. Ihr Traum ist es, alle sieben zu besitzen. Alle Bewohner sind
sehr freundlich zu Grace und lassen sie in die alte Mühle einziehen.
Eines Tages schlägt die Stadtglocke Alarm und die Polizei erscheint, um
Plakat mit einer Vermisstenmeldung von Grace an das Missionshaus zu
nageln. Es wird in einer Stadtversammlung erneut über Grace Aufenthalt diskutiert. Tom entscheidet, dass sie bleiben darf.
„Fünftes Kapitel. Immerhin der Vierte Juli.“ (1:00:74)
[Abb.8: Tom & Grace gestehen sich ihre Liebe]
Am 4. Juli, dem Unabhängigkeitstag, gesteht Tom seine Liebe zu Grace. Sie erwidert, ebenfalls in ihn verliebt zu sein. Als am Abend das gesamte Städtchen an einer großen Festtafel sitzt, bekommen sie plötzlich einen Anruf, der sie vor nahender Polizei warnt. Während Grace sich versteckt hält, nagelt ein Polizist ein neues Plakat an das Missionshaus – ein Steckbrief von Grace, der von ihrer Verwicklung in einen Bankraub berichtet. Obwohl alle Einwohner wissen, dass sie unschuldig gesucht wird, fühlen sie sich schlecht dabei, die Polizei zu hintergehen. Aus diesem Grund wird Grace das Gehalt gekürzt und ihre Arbeiten aufgestockt, womit sie sich einverstanden erklärt. Sie wird jedoch durch diese Überlastung tollpatschiger und die Einwohner unzufriedener mit ihr. Chuck beginnt sich ihr zu nähern und spielt im Augenblick ihrer Abweisung mit dem Gedanken, sie bei der Polizei zu verraten. Er gesteht dies Grace, die ihm mit Verständnis begegnet. Grace erzählt Tom von dem Missmut und den Annäherungsversuchen einiger Stadtbewohner ihr gegenüber. Dieser nimmt seine Mitbürger jedoch in Schutz.
„Sechstes Kapitel. In welchem Dogville die Zähne fletscht.“ (1:24:07)
[Abb.9: Chuck nähert sich Grace sexuell]
Grace wird von Jason erpresst. Er will von ihr verprügelt werden,
andernfalls würde er seiner Mutter Vera erzählen, er würde von ihr
gewalttätig behandelt werden. Sie gibt ihm also leichte Schläge auf das
Gesäß. Auch Chuck droht Grace. Er würde sie bei der Polizei verraten,
wenn sie ihm nicht mehr Respekt vorbringen würde. Den Respekt fordert er
sich anschließend durch eine Vergewaltigung ein.
„Siebentes Kapitel. In welchem Grace endlich genug von Dogville hat, die Stadt verlässt und wieder das Tageslicht erblickt.“ (1:33:03)
[Abb.10: Grace wird an Ketten gelegt]
Es ist Ende des Sommers, Grace arbeitet weiterhin gehorsam und wird
immer wieder von Chuck sexuell missbraucht. Eines Nachts bekommt sie
Besuch von Vera (Chucks Frau), Liz und Martha, da sie zusammen mit Chuck
gesehen wurde. Vera erteilt ihr deshalb eine Lektion: sie zerschlägt
zwei ihrer Figuren. Wenn Grace weinen müsse, würde sie die anderen
ebenfalls zertrümmern. Da die Figuren für Grace symbolisch für die
Begegnung mit den Bewohnern Dogvilles und somit ihrer Rettung stehen,
kann sie ihre Tränen nicht zurückhalten. Noch am gleichen Abend
schmiedet sie mit Tom, der über alle Vorkommnisse Bescheid weiß,
Fluchtpläne. Am Tag der Flucht fährt Ben, der von Tom eine große Summe
Geld erhalten hat, sie auf der Tragfläche seines Lasters aus der Stadt
heraus. Ben fordert aufgrund der hohen Gefahr, die er auf sich nimmt, um
ihr zu helfen, jedoch ihren Körper ein und vergewaltigt sie auf der
verschlossenen Ladefläche. Als sie weiterfahren, schläft Grace ein und
muss bei ihrem Erwachen feststellen, dass sie wieder in Dogville ist. Da
sie nun zusätzlich beschuldigt wird Geld von Tom Edison Senior
gestohlen zu haben, welches eigentlich Tom genommen hat um Ben zu
bezahlen, wird sie an schwere Ketten gehängt und mit einem Glöckchen
ausgestattet.
„Achtes Kapitel. In welchem auf einer Versammlung die Wahrheit ausgesprochen wird und Tom geht (nur um später zurückzukommen).“ (1:58:11)
[Abb.11: kritische Reaktionen auf Graces Bericht]
Grace hält ihre Arbeit weiterhin tranceartig durch, obwohl sie
mittlerweile nicht mehr nur von Chuck sexuell genötigt wird. Auf Toms
Rat hin, berichtet Grace im frühen Herbst auf einer Stadtversammlung von
allen Ereignissen, die ihr in den letzten Wochen wiederfahren sind. Die Bewohner heißen sie eine Lügnerin und verbreiten heimlich den Wunsch, dass sie geht, jedoch ohne, dass sie anschließend Lügengeschichten über die Stadt verbreitet. Als Grace Toms Begierde nach sexueller Annährung abschlägt und ihn auf seine eventuellen Ängste und Schwächen anspricht, geht er. Tom fühlt sich ertappt und bedroht und sieht in Grace fortan nicht nur eine Gefahr für Dogville, sondern vor allem für ihn und seine Zukunft. In den nächsten fünf Tagen sind die Bewohner Dogvilles ungewöhnlich freundlich zu Grace, werden jedoch allmählich unruhig. Am Abend des fünften Tages spricht Grace Tom gegenüber die Vermutung aus, dass er wohl die Visitenkarte genutzt hätte. Tom sorgt nun dafür, dass Grace über Nacht in ihrem Zimmer eingesperrt ist, damit die Gangster sie leichter entfernen könnten.
„Neuntes Kapitel. In welchem Dogville den lange erwarteten Besuch erhält und der Film endet.“ (2:24:26)
[Abb.12: Grace erschießt Tom]
In derselben Nacht erreichen die Autos der Gangster die Stadt. Sie holen
Grace aus ihrem Zimmer und lassen sie in den Wagen des Bosses steigen.
Grace erzählt mit dem Boss und es stellt sich heraus, dass er ihr Vater
ist. Als Grace damals in Dogville ankam, flüchtete sie vor ihrem Vater,
weil sie sich furchtbar gestritten hatten. Er wirft ihr nun vor, dass
ihre Barmherzigkeit von großer Arroganz zeuge und dass sie nur Menschen
gegenüber Barmherzigkeit beweisen solle, deren Vergehen sie sich selbst
auch verzeihen könnte. Ihr Vater bietet ihr an, ihre Probleme in
Dogville zu lösen. Grace lehnt dies zunächst ab. Als sie jedoch Dogville
noch einmal betrachtet, sieht sie ein, dass sie den Bewohnern ihre
Taten nicht verzeihen könne und bittet ihren Vater alle Einwohner zu
erschießen und die Stadt niederzubrennen. Für Vera denkt sich Grace
etwas Besonderes aus: es werden nacheinander ihre Kinder erschossen, es
sei denn, sie könne ihre Tränen zurückhalten. Am Ende erschießt Grace
Tom eigenhändig und nur Moses, der Hund, dem Grace als erstes in der
Stadt begegnet ist, bleibt am Leben.