Grundmuster
In dem vorliegenden Film finden Grundmuster, also Elemente, die einem bestimmten Schema folgen, eine häufige Verwendung. Die prägnantesten werden im Folgenden beschrieben und beziehen sich vorwiegen auf die symbolische und reale bzw. visuelle Entwicklung eines Akteurs, die symbolische Verwendung von Farben, das wiederholte Auftreten bedeutungsträchtiger und sinnbildlicher Gegenstände und Vergleiche.
Der Körperliche/Optische Verfall
Im Verlauf des Filmes kann ein körperlicher sowie eine optischer Verfall Claire Zachanassians festgestellt werden. So wird die anfangs mit opulentem Schmuck, also mit großen Halsketten sowie diamantbesetzen Ohrringen, präsentiert (vgl. Abb. 1), während am Ende eine dezente Schmuckwahl zu erkennen ist (vgl. Abb 2). Dies könnte auf die Anpassung Claires hinsichtlich ihrer Heimatstadt deuten. So will sie sich zunächst von der Bevölkerung abheben, welche ihr solches Leid zugefügt hat, muss dann aber erkennen, dass sie aufgrund ihres Verhaltens, den egoistischen Racheplänen an Alfred Ill, nicht besser als die Gemeinde ist.
Auch der körperliche Verfall wird deutlich. So kann Claire zu Beginn ihres Besuches ohne ihre Gehhilfe durch den Wald spazieren. Zwar wird auch hier ihre Gehbheinderung deutlich durch einen kurzen Sturz, es ist ihr aber möglich, sich auf unebenem Gelände zu bewegen. Im Verlauf des Filmes wird immer wieder ihre Gehunfähigkeit sichtbar, besonders aber, als sie kurz vor der Abstimmung in ihrem Hotelzimmer versucht, ihre Tat zu vereiteln. Im Versuch schnellstmöglich zur Werkshalle zu gelangen, muss sie sich nach mehrmaligem Fallen sowohl an ihrem Gehstock sowie an dem neben ihr stehenden Kalvier stützen, da sie sonst droht, umzufallen. Dies verdeutlicht, dass auch Claire durch ihren Besuch und ihre Tat in Mitleidenschaft gezogen wurde. Sie verliert im Laufe des Filmes ihre Stärke und wirkt durch die zunehmende Krankheit gebrechlich und schwach.
Rot und Schwarz
Die beiden Farben rot und schwarz spielen gerade in Bezug auf Claire Zachanassian, welche sich ausschließlich in diesen Tönen kleidet, eine große Rolle. Rot steht für die Liebe, welche sie früher und auch gegenwärtig für ihre Jugendbeziehung Alfred Ill empfindet. Jedoch ist auch das Blut, als Symbol des Lebens und des Todes, rot. Claire trägt vorrangig in der Öffentlichkeit rote Handschuhe (siehe Abb. 5), welches das zukünftige Blut an ihren Fingern symbolisiert. Sie hat der Stadt ein Angebot gemacht, welches ein Todesopfer fordert. Selbst wenn sie selbst keine Mordtat begeht, so hat sie die Motivation und den Anlass für die Güllener gegeben. Neben den Handschuhen trägt Alfreds altes, für Claire restauriertes Auto eine blutrote Färbung (siehe Abb. 6). Im Laufe der Handlung stellt sich heraus, dass in diesem Auto vor vielen Jahren ein Unfall geschah, welcher zum Verrat Alfreds und der ganzen Stadt gegenüber Claire geführt hat und ihr zusätzlich langwierige körperliche Schäden sowie Unfruchtbarkeit bescherten. Die Farbe des Unfallwagen verdeutlicht also den blutigen Unfall mitsamt seiner verherenden Konsequenzen. Es wird deutlich, dass beide Protagonisten den jeweils anderen schwerwiegend geschädigt haben bzw. schädigen werden. Dass Claire jedoch gegenwärtig die schädigendere Person ist wird klar, als von Zachanassians Bluthunden die Rede ist. Des Weiteren werden ihr zu Beginn ihres Aufenthalts in Güllen Lilien auf das Zimmer gebracht, welches gebräuchliche Grabesblumen sind. Der Besuch der alten Dame bringt augenscheinlich Tod in die Gemeinde. Die Farbe des Todes ist schwarz, welches die bevorzugte Kleidungsfarbe der Zachanassian ist.
Die Muschel
[Abb.7: die Muschel als Symbol]
Als sogenanntes Klammermuster
kann die Muschel gesehen werden, welche Claire in jüngeren Jahren von
Alfred als Zeichen ihrer Verbundenheit und Liebe geschenkt bekam. Fortan hat sie diese gemäß ihrer eigenen Worte "gehütet wie meinen Augapfel" (10:51). Bei ihrem ersten Treffen am See zeigt Claire das Geschenk aus alten Tagen (siehe Abb. 7), um an die gemeinsame Vergangenheit zu erinnern und eine Vertrauensbasis für beide zu schaffen. Auch nach Alfreds Geständnis sitzt Claire auf dem Bett ihres Hotelzimmers und betrachtet eingehend die Muschel. Sie erinnert sich an die letzten Tage und es scheint, als habe sie ihm seine Taten verziehen. An Alfreds Sterbebett überreicht sie ihm jenes frühere Geschenk und zeigt somit die stets vorhandene Verbundenheit und Zuneigung, welche sie ihm entgegenbringt. Die Muschel steht nicht nur für die Jahre zurückliegende Liebe beider Personen, sondern auch für das Festhalten von Claire an Grausamkeiten des Autounfalls. Solang sie dieses Zeichen bei sich trägt, trägt sie zugleich den Fehler Alfreds nach. Erst als sie die Muschel aus ihrer Hand gibt, lässt sie die vergangenen Geschehnisse los und verzeiht Alfred.
Der Hund Nero
Ähnlich wie der schwarzen Kleidung Claires kann auch der Rottweiler Nero als Versinnbildlichung des Todes interpretiert werden. Dies lässt sich begründen durch die Angst, welche Ill zu Beginn des FIlm zeigt, als er den großen Hund erblickt (siehe Abb. 8). Er schreckt zusammen, obwohl Nero ihn nach Claires Aussage zu mögen scheint. Auch in weiteren Szenen zeigt Ill stets Respekt und Angst vor dem Tier. Nach der Treibjagd allerdings sowie seiner gescheiterten Flucht, als Alfred einen nächtlichen Spaziergang unternimmt, versöhnt er sich mit dem plötzlich auftauchenden Hund und streichelt ihn (siehe Abb. 9). Anfangs ist er auch in dieser Situation verängstigt, zeigt dann aber nach einigen Überlegungen seine Freunschaftsabsicht. Der Hund könnte hierbei ein Repräsentant des Todes sein, welchem Alfred zu Beginn noch ängstlich entgegen steht. Im Laufe des Filmes allerdings findet er sich mit der Unausweichlichkeit der Situation ab. Er akzeptiert seinen nahestehenden Tod, so wie er Nero akzeptiert.
Der große Rottweiler verdeutlicht außerdem die Machtstellung der einflussreichen Claire Zachanassian. Dies wird ersichtlich, als ihr der Sparkassendirektor, selbst Besitzer eines kleinen Spitzes, ein Gegenangebot verbreitet. Er würde Ill für nur einen einen Bruchteil des Geldes, was sie der Stadt geben würde, ermordern - sofern diese Abmachung geheim bliebe. Claire wehrt das Angebot jedoch ab, zeigt dem Sparkassendirektor seine Falschheit und Minderwertigkeit auf und schreitet mit ihrem Rottweiler weiter, während der Stehengelassene Vorlieb nehmen muss mit seiem zierlichen Spitz.
Der große Rottweiler verdeutlicht außerdem die Machtstellung der einflussreichen Claire Zachanassian. Dies wird ersichtlich, als ihr der Sparkassendirektor, selbst Besitzer eines kleinen Spitzes, ein Gegenangebot verbreitet. Er würde Ill für nur einen einen Bruchteil des Geldes, was sie der Stadt geben würde, ermordern - sofern diese Abmachung geheim bliebe. Claire wehrt das Angebot jedoch ab, zeigt dem Sparkassendirektor seine Falschheit und Minderwertigkeit auf und schreitet mit ihrem Rottweiler weiter, während der Stehengelassene Vorlieb nehmen muss mit seiem zierlichen Spitz.
Die Jagd auf ein Schwein
Die komplette Handlung des Films ist gespickt durch Anspielungen auf die Schweinejagt. Hierbei symbolisiert das Schwein den von den Güllenern verfolgten Alfred Ill. Dies wird deutlich, als Ill vor Claire eingesteht, dass sein damaliges Verhalten schlecht war. "Ich hab mich benommen wie ein Schwein damals." (39:00). Als er mit seinen vermeintlichen Freunden an einer Treibjagd auf Wildschweine teilnimmt, wird schließlich er zum Gejagten. Zu Beginn dieses gefährlichen Schussmanövers lässt das Sparkassendirektor gegenüber Ill Folgendes verlauten: "Da mach dir mal keine Sorgen, Alfred, heute erledigen wir die Sau." (54:11) Der Zuschauer vermutet in dieser Situation bereits, dass der Sparkassendirektor Alfred meint, als er von der Sau spricht. Ein weiteres Indiz für den Vergleich des Protagonisten mit einem Schwein ist seine Heimatstadt: Güllen. Der Stadtname ist namensverwandt mit dem Wort Gülle, welches für den organischen Abfall von Nutztieren, also auch Schweinen, steht. Ill, dessen Verhalten vor einigen Jahren sprichwörtlich unter aller Sau war, hat diesen Vergleich aufgrund seiner Vergangenheit bekommen und wird ihn bis zu seinem Tode nicht mehr los.
Das Thema der Jagd wird nicht nur durch die Treibjagd als Handlungselement aufgegriffen, sondern auch durch die Jagdmotive im Hotelzimmer Claire Zachanassians. Sie ist die Ursache für die Jagd auf Alfred, auch wenn sie selbst nicht an der Hetzerei teilnimmt.
Das Thema der Jagd wird nicht nur durch die Treibjagd als Handlungselement aufgegriffen, sondern auch durch die Jagdmotive im Hotelzimmer Claire Zachanassians. Sie ist die Ursache für die Jagd auf Alfred, auch wenn sie selbst nicht an der Hetzerei teilnimmt.
Der Spiegel
In dem vorliegenden Film verdeutlichen Spiegel Reflexionsprozesse und finden ihren gehäuften Einsatz und Bezug auf Claire, welche sich jahrelang mit ihrer schrecklichen Vergangenheit auseinandergesetzt hat und aufgrund dieser noch unabgeschlossenen Reflexionsarbeit wieder nach Güllen zurückkehrt. Von Beginn an wird sie mehrere Male in einem Spiegel gefilmt (siehe Diashow 1), was zeigt, dass sie über den gesamten Zeitraum über die Geschehnisse nachdenkt und sie in Bezug zu sich setzt, was letzten Endes zur Vergebung führt. Auch Ill wird in einer Szene mittels eines Spiegels abgefilmt, der ihn in dreifacher Ausführung erscheinen lässt (siehe Diashow 1). In direktem Anschluss ruft er seine verstoßene Tochter Mia an, um sich mit ihr zu versöhnen. Es wird deutlich, dass Ill innerhalb der letzten Tage ein Höchstmaß an Reflexionsarbeit vollzogen hat, was den einmaligen Einsatz vieler Spiegelbilder begründet. Ein weiterer Einsatz des Spiegels ist beim Bürgermeister anzutreffen, als er sich die Krawatte bindet und die Schuld für die aktuellen Geschehnisse Alfred in die Schuhe schiebt (siehe Diashow 1). Auch hier fand ein Reflexionprozess statt, der jedoch damit endete, dass die Schuld von sich abgeladen und auf eine andere Person vollständig aufgeladen wurde. Der Bezug zur eigenen Person wird beim Bürgermeister verzerrt wahrgenommen und er wähnt sich in reinem Gewissen.
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Weitere Grundmuster
Neben den oben beschriebenen besonders auffälligen Mustern lassen sich viele weitere im Filmverlauf feststellen. Hierzu zählt beispielsweise die Funktion und Auswirkung der Medien. Die Tochter der Protagonisten, Mia, ist Nachrichtensprecherin und interviewt die Güllener mehrfach zu den aktuellen Ereignissen, um aktuelle Bericht im öffentlichen Fernsehen ausstrahlen zu können. Sowohl die Interviewsituation als auch die ausgestrahlte Sendung sind im Film zu sehen. In der Szene des Fluchtversuches von Alfred ist es sogar Mia mit ihrem Kameramann, die durch ihre Anwesenheit und der drohenden Publikation der Ereignisse das Leben ihres Vaters zunächst rettet. Des Weiteren werden gehäuft Zeitungsschlagzeilen eingeblendet (siehe Abb.10), welche einen großen Einfluss auf die Güllener haben. Es werden als Folge der Handlungsentwicklung, welche scheinbar durch Schlagzeilen im Fernsehen und in der Zeitung vorangetrieben werden, Hassparolen gegen Ill auf Hauswände und Fensterscheiben geschmiert (siehe Abb.11).
Ein weiteres Muster kann in das Bahnwesen interpretiert werden. Vor einigen Jahren blühte die Stadt Güllen dank einer Fabrik, die Rollen und Achsen für Züge herstellte und somit den Einwohnern Einnahmen in großer Höhe verschaffe. Diese Farbik wurde jedoch von Claire Zachanassian aufgekauft und mit Vorsatz in den Ruin getrieben, um die Stadt bankrott gehen zu lassen. Aufgrund dieser ökonomisch miserablen Ausgangslage der Stadt, ist es der reichen Dame möglich das unmoralische Angebot mit einer hohen Belohnungssumme zu verbreiten und fruchten zu lassen. Der Schuldirektor und der Bürgermeister, die über den Inhaber dieser Fabrik nicht bescheid wissen, sehen Alfreds letzte Chance darin, Claire die Fabrik kaufen zu lassen und die Wirtschaft mit einer Finanzspritze wieder anzukurbeln. Als sie erfahren, dass diese jedoch bereits Inhaberin der Fabrik ist und darüber hinaus die Geldnot Güllens verursacht hat, sehen sie ihre letzte Hoffnung auf Ills Rettung schwinden. Ebenso ergeht es Ill selbst, als er mit Hilfe des einmal am Tag haltenden Zuges die Stadt verlassen möchte und scheitert. Das Bahnwesen war somit in zweierlei Hinsicht Hoffnung für Alfred, aber wurde letzten Endes zerschlagen. Am Ende der Films liegt er tot auf den Schienen des alten Fabrikgebäudes, da ihn das Bahnwesen nicht retten konnte.
An letzter Stelle soll ein Muster beschrieben werden welches die Ausgangslage der beiden Hauptdarsteller beschreibt. Claire und Ill schauen sich etwa in der Mitte des Filmes ein Feuerwerk an. Sie befinden sich in unterschiedlichen Gebäuden und wissen nicht, dass der jeweils andere genau dieselbe Tätigkeit ausübt. Beide stehen in Dunkelheit getaucht an ihren Fenstern und betrachten das Farbenspiel, welches sich in ihren Gesichtern wiederspiegelt (siehe Abb.12, 13, 14). Das Betrachten eines Feuerwerks aus zwei unterschiedlichen Perspektiven beschreibt die Lage, in welche sich Alfred und Claire befinden. Die verbindende Situation ist der Autounfall, welcher sich vor vielen Jahren ereignete und zum Verrat führte.Beide waren in dieser Situation anwesend aber betrachten diese aus vollständig unterschiedlichen Blickwinkel, was zur gegenwärtigen Racheaktion Zachanassians führt.
An letzter Stelle soll ein Muster beschrieben werden welches die Ausgangslage der beiden Hauptdarsteller beschreibt. Claire und Ill schauen sich etwa in der Mitte des Filmes ein Feuerwerk an. Sie befinden sich in unterschiedlichen Gebäuden und wissen nicht, dass der jeweils andere genau dieselbe Tätigkeit ausübt. Beide stehen in Dunkelheit getaucht an ihren Fenstern und betrachten das Farbenspiel, welches sich in ihren Gesichtern wiederspiegelt (siehe Abb.12, 13, 14). Das Betrachten eines Feuerwerks aus zwei unterschiedlichen Perspektiven beschreibt die Lage, in welche sich Alfred und Claire befinden. Die verbindende Situation ist der Autounfall, welcher sich vor vielen Jahren ereignete und zum Verrat führte.Beide waren in dieser Situation anwesend aber betrachten diese aus vollständig unterschiedlichen Blickwinkel, was zur gegenwärtigen Racheaktion Zachanassians führt.
Hypothesenbezug
Mit Hilfe der Grundmuster werden Bezüge zum Handlungsablauf hergestellt. Einige Aspekte werden rückblickend erkenntlich gemacht, andere aus der Gegenwart werden verstärkt und wieder andere zukünftige Ereignisse werden vorweggegriffen. In allen Fällen jedoch wird die Hypothese bestärkt, dass sich eine Gemeinschaft gegen ein Individuum mit Einzelschicksal stellt und dabei eine negative Wendung vollzieht. Zwar finden Reflexionsprozesse statt, aber führen an einigen Stellen zur verzerrten Wahrnehmung, was den moralisch verwerflichen Fortlauf der Handlung weiterhin unterstützt. Durch den Einsatz der Grundmuster wird die Interpretationshypothese erneut bestärkt.